Die Schatzgräber
Einstmals hörten ein paar Liebensteiner Männer, daß ein reicher Schatz droben in der Ruine stehe, der von einem Geist bewacht werde. Da legten sie Geld zusammen und holten drüben von Dermbach vor der Rhön einen Jesuiten herbei, der sollte den Geist zitieren und bannen, ihn auch fragen, womit der Schatz versetzt sei. Solches geschah, und der beschworene Geist sagte, der Schatz könne mittels eines ganz schwarzen Hahnes, an dem aber beileibe kein weißes Federchen sein dürfe, gehoben werden.
Nun war unter den Männern einer, den nannten seine Freunde Nackelkappe, einer von den sehr Klugen, wie es deren gibt. Der sagte, solchen Hahn wolle er bald beschaffen. Er schaffte auch einen kohlschwarzen Hahn herbei, der nur ein einziges kleines weißes Federchen am Schwanze hatte. Dies raufte der sehr kluge Nackelkappe ihm aus, und so hatte der Hahn nun wahrhaftig kein einziges weißes Federchen mehr. War ein rechter Schlaukopf, der Nackelkappe!
Um die Mitternachtsstunde trafen nun die Schatzgräber abermals droben im alten Schlosse zusammen, gruben ein Loch, hielten darüber den Hahn, stachen ihn mit einem Messer in die Brust und ließen das Blut in das Loch hineinträufeln. Da trat es einen schrecklichen Krach, als breche der ganze alle Liebenstein zusammen, und eine Geisterstimme schrie: "Itzund will ich dem den Hals umdrehen, der dem Hahn die weiße Feder ausgerauft hat!" Und alsbald kam ein gräuliches Gespenst mit Hörnern daher und stieß die Schatzgräber alle über den Haufen, Zuvörderst den klugen Nackelkappe, und verfolgte die eiligst Fliehenden eine ganze Strecke den Berg hinunter. Mehr tot als lebend kamen alle heim. Der sehr kluge Nackelkappe aber starb nach drei Tagen vom gehabten Schreck.
Von den andern ist niemals wieder einer ins alte Schloß hinaufgegangen.
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